Auch Retriever sind Jagdhunde


 


Heute möchte ich mich mit der jagdlichen Ausbildung beschäftigen. Um Vorweg zu sagen, ich werde mich nicht dazu auslassen ob es richtig oder falsch ist und ich werde auch keine Wertung vornehmen. Nur um kurz meine Kompetenz zu diesem Thema klarzustellen, sei gesagt, daß ich nach vielen Retrieverjahren zu Gunsten der Ausbildungsmöglichkeiten meiner Hunde, dann auch den Jagdschein gemacht habe.

So jetzt zum Thema.

Wenn man sich mit der Hundeausbildung allgemein und der Retrieverausbildung speziell beschäftigt, sollte man nicht den Fehler machen, nur in “Retriever” zu denken. Nutzen Sie die Gelegenheiten bei anderen Vereinen mit anderen Rassen oder auch Nichtrassen mitzutrainieren. Auch im Gebrauchs- und Schutzhundelager ist in den letzten Jahren ein Umdenken eingetreten und sogar das “Augsburger Modell” das den Schäferhundleuten u. a. auch neue Mitglieder beschert hat, könnten und sollten Sie nutzen. 
Also wie gesagt auch Retriever sollten eine solide Grundausbildung haben, wenn Sie mit der Dummyarbeit oder mit der jagdlichen Arbeit beginnen. Unter solide verstehe ich den Gehorsamsstand einer Begleithundprüfung ohne apportieren. Mit der Apportierarbeit wird im Vorfeld auch in den Gruppen noch sehr viel falsch gemacht, denn einen hochpassionierten Labrador oder Flat-coated muß man anders ans “Arbeiten” bringen als einen “nur lieben” Golden. 
Leider werden  in unserem Verein die Ausbilder der Übungsgruppen nicht zentral geschult, geschweige denn auf ihre Qualifikation hin überprüft. So müssen sich eben in der Übungspraxis viele “Opfer” finden, damit der Ausbilder sich ausbilden kann.
Auf die Dummyarbeit möchte ich zumindest heute nicht weiter eingehen, denn das wäre dann doch etwas zu umfangreich. Jedoch die alternative Version, die von Besitzern, vor allem mit sehr passionierten Hunden bevorzugt wird, ist die Schleppenarbeit. Dieses Phänomen kenne ich nicht nur von Retrieverleuten sondern aus der gesamten Jagdhundearbeit, sei es mit Teckeln (Dackeln) oder Deutschen Vorstehhunden. Alle diese Hundebesitzer sind der Überzeugung,  daß Sie ihrem Hund mit so einer Ausbildung etwas Gutes tun und seine Anlagen fördern. Sicherlich haben Sie in sofern Recht, daß der Hund durch die zu erbringende Nasenleistung bei der Schleppenarbeit auch geistig gefordert wird, aber meist ist der Zeitpunkt hierfür der Falsche.
Um nichtjagdlich interessierten Retrieverbesitzern kurz zu erläutern worum es geht, folgende Erklärung. Man stelle sich vor, bei einer Jagd wird ein Hase geschossen, dieser fällt beim Schuß nicht einfach tot um sondern läuft im Schock noch einige Meter weiter. Da der Jäger diesen Hasen gerne als Sonntagsbraten haben möchte, schickt er nach Beendigung der Jagd, seinen ausgebildeten Jagdhund, diesen Hasen zu finden und zu bringen.
Das man so einen Hund gezielt ausbildet versteht sich von selbst. In der Praxis heißt das, vereinfacht erklärt: man zieht mit einem Strick einen toten Hasen (Kaninchen) oder einem Dummy im Wald hinter sich her. Der Hund soll das nicht sehen. Nach etwa 200 Meter macht  man das Wild oder Dummy von der Schnur ab, legt es hin und geht weg. Der Hund wird jetzt an die Stelle gebracht an der man die Schleppe begonnen hat. Dies ist der sogenannte Anschuß. Von dort aus soll er dann ohne Führer und ohne Leine der Duftspur nachgehen, das Wild/Dummy finden, aufnehmen und bringen. Und das alles ohne weitere Kommandos. 
Diese Art der Arbeit macht den Hunden sicherlich auch sehr viel Spaß und ich kenne sogar Mischlinge, die gerne Schleppenarbeit machen, denn hier dürfen sie Eigenleistung bringen und zeigen was sie so drauf haben.

Der Haken bei dieser Ausbildung ist nur, daß man unter Umständen die Nasenleistung fördert und damit den Hund nicht mehr unter Kontrolle bekommt. Es ist nicht so, daß ein Jagdhund oder ein Hund der Schleppenarbeit gemacht hat auch anfängt zu wildern oder zu hetzen. Wenn dem jedoch so ist,  ist hier ein grober Fehler in der Ausbildung passiert. Man hat den Hund zu früh “auf Nase gebracht” ohne das er vorher eine solide Grundausbildung hatte. Ich denke jeder kennt noch das Gedicht  “Der Zauberlehrling” im Prinzip ist dies das Gleiche. Das Argument, daß der Junghund diese Arbeit früh lernen soll, damit er ein guter Jagdhund wird, halte ich nur für bedingt richtig und zum Teil auch für sehr gefährlich. Ich kenne voll ausgebildete Field-Trail-Hunde, die im Ausland ihre Prüfungen ohne Schleppenarbeit gemacht haben, weil sie dort nicht verlangt wird, und die innerhalb eines Tages gelernt haben eine 150 m lange Kaninchenschleppe selbständig auszuarbeiten, das Wild aufzunehmen und zu bringen. Also wo ist da das Problem?

Ein weiterer Leichtsinn liegt auch darin, wenn man beim Welpen oder Junghund bei den Spaziergängen nicht darauf achtet, daß der Hund die Wege nicht verläßt. Er befindet sich vielleicht ja sogar noch auf Sicht- oder Rufweite (was immer das auch heißt) und man geht so   nach dem Motto: “der tut ja nichts, er ist ja noch so Klein oder was soll den da schon passieren”. Auch dieser Hund wird mit dem Alter immer versierter und hat er erst einmal gelernt seine Nase einzusetzen wird er auch bald dem ersten Kaninchen hinterherlaufen und vielleicht später sogar einem Reh. Dieses Spiel endet dann oft tödlich. Entweder für das Reh, weil der Hund es zu Tode hetzt oder für den Hund, weil er überfahren wird oder in Ausübung “seiner Tat” erschossen wird. Beides ist bestimmt nicht in Ihrem Sinne. 

Glauben Sie mir, ich möchte Ihnen nicht den Spaß und vor allem nicht die gezielte,  konsequente oder  vielleicht sogar jagdliche Hundeausbildung vermiesen, aber im Laufe vieler Hundejahre weiß ich wovon ich rede.
 


 

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